Antwort auf die Kleine Anfrage zum Thema Unfälle mit Radfahrer-Beteiligung

Ihre Kleine Anfrage vom 09.06.2017 betr. Unfälle mit Radfahrer-Beteiligung

 

Ihre Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt, möchte aber zunächst folgende Vorbemerkung geben

 

Leider lassen sich auf Grund der Auswertungsmöglichkeiten der Unfalldatenbank nicht alle Fragen im gewünschten Detailgrad beantworten. Hierfür wäre eine aufwendige und händische Auswertung der erfassten Unfälle notwendig. Diese Art der Auswertung kann aus personellen Gründen nicht ohne weiteres geleistet werden.

 

Frage 1:

Nach Pressberichten (Darmstädter Echo vom 15. Mai 2017) hat es 2016 in Darmstadt 277 Unfälle mit Radfahrer-Beteiligung gegeben. Dabei wurden 208 Personen verletzt. In einer Vielzahl der Fälle hat nach Polizeiangaben „persönliches Fehlverhalten" zu den Unfällen geführt. Bei wie vielen der 277 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung wurden diese von:

 

Bei wie vielen der 277 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung wurden diese von

 

a) LKW-Fahrerinnen oder —fahrern,

b) PKW-Fahrerinnen oder —fahrern,

c) Kraftradfahrerinnen oder — fahrern,

d) Fahrradfahrerinnen oder — fahrern verschuldet oder

e) durch technischen Defekt verursacht?

 

Antwort:

Nach unseren Daten haben sich in Darmstadt im Jahr 2016 insgesamt 285 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung ereignet.

 

Diese wurden von

a) 11 Lkw-Fahrerinnen oder -fahrern

b) 221 Pkw-Fahrerinnen oder -fahrern

c) 2 Krad-Fahrerinnen oder -fahrern

d) 12 Radfahrerinnen oder -fahrern

 

verursacht, aber nicht unbedingt verschuldet. Die Verursacherin bzw. der Verursacher wird zwar von der Polizei aufgenommen, jedoch wird die Schuldfrage letztendlich nicht von der Polizei geklärt. Dementsprechend kann es hier zu Verschiebungen kommen, welche in der Unfallstatistik nicht berücksichtigt werden. Beispielsweise kann ein Pkw-Fahrer, welcher von der Polizei vorerst als Unfallverursacher aufgenommen wird - und

dementsprechend hier in der Statistik auftaucht • vor Gericht von der Schuld

freigesprochen werden. In diesem Fall bleibt er dennoch als Unfallverursacher in der Statistik erfasst. Hier gibt es keine Rückkopplung.

 

e) Durchtechnischen Defekt wurden 2 Unfälle (Pkw) verursacht.

 

Frage 2:

Wie verteilte sich die Zahl der

a) Leichtverletzten

b) Schwerverletzten

auf die Unfälle nach Verursachergruppen a) bis e) entsprechend Frage 1?

 

Antwort:

Verteilung der Verletzten nach Verursachergruppen entsprechend 1:

a) Leichtverletzte

(exklusive Radfahrerinnen oder -fahrern)

Wurde der Unfall durch einen Lkw verursacht gab es 0 Leichtverletzte.

Wurde der Unfall durch einen Pkw verursacht gab es 3 Leichtverletzte.

Wurde der Unfall durch einen Krad verursacht gab es 2 Leichtverletzte.

Wurde der Unfall durch einen Radfahrer verursacht gab es 11 Leicht-verletzte.

b) Schwerverletzte

(exklusive Radfahrerinnen oder -fahrern)

Wurde der Unfall durch einen Lkw verursacht gab es 0 Schwerverletzte.

Wurde der Unfall durch einen Pkw verursacht gab es 0 Schwerverletzte.

Wurde der Unfall durch einen Krad verursacht gab es 0 Schwerverletzte.

Wurde der Unfall durch einen Radfahrer verursacht gab es 1 Schwer-verletzten

 

Frage 3:

Wie verteilte sich die Zahl der

a) leicht verletzten Fahrradfahrerinnen und -fahrern

b) schwer verletzten Fahrradfahrerinnen und -fahrern

auf die Unfälle nach Verursachergruppen a) bis e) entsprechend Frage 1?

 

Antwort:

Verteilung der Verletzten nach Verursachergruppen entsprechend:

 

a) Leichtverletzte Radfahrerinnen oder -fahrern

Wurde der Unfall durch einen Lkw verursacht gab es 6 leichtverletzte Radfahrer.

Wurde der Unfall durch einen Pkw verursacht gab es 147 leichtverletzte Radfahrer.

Wurde der Unfall durch einen Krad verursacht gab es 1 leichtverletzten Radfahrer.

Wurde der Unfall durch einen Radfahrer verursacht gab 12 leichtverletzte Radfahrer.

 

b) Schwerverletzte

Radfahrerinnen oder -fahrern

Wurde der Unfall durch einen Lkw verursacht gab es 2 schwerverletzte Radfahrer.

Wurde der Unfall durch einen Pkw verursacht gab es 16 schwerverletzte Radfahrer.

Wurde der Unfall durch einen Krad verursacht gab es 0 leichtverletzte Radfahrer. Wurde der Unfall durch einen Radfahrer verursacht gab 1 leichtverletzten Radfahrer

 

 

Frage 4:

Welche Rückschlüsse zieht der Magistrat aus diesen statistischen Daten in Bezug auf notwendige Verkehrserziehung und präventive Ahndung von Verkehrsverstößen von Radfahrerinnen und Radfahrern?

 

Antwort:

Die Verkehrserziehung in Darmstadt ist aus Sicht des Magistrates gut aufgestellt. In der Jugendverkehrsschule, einer Kooperationseinrichtung der Wissenschaftsstadt Darmstadt und dem Polizeipräsidium Südhessen, findet Verkehrsunterricht für Grundschulen (4. Schuljahr), Schulen für Lernbehinderte mit Grundstufe (4. Klasse), Mittelstufe (5. und 6. Klasse) und Schulen für Seh-, Hör- und Sprachbehinderte mit Grundstufe (4. Klasse) statt. Hier wird das Straßenverkehrsleben ganz praktisch geübt. Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler in Theorie und Praxis als geprüfte Radfahrerinnen/ geprüfte Radfahrer, auszubilden. Im Rahmen der Ausbildung werden

verkehrssicheres Radfahren allgemein, aber auch das Verhalten bspw. beim

Anfahren am Fahrbahnrand auf Gehwegen und Fußgängerüberwegen, die

Vorfahrtregeln, Linksabbiegen, usw. geübt. Auch wird im Realraum gefahren, d.

h. die Kinder fahren mit den Polizeibeamtinnen und einem erwachsenen Begleiter im

realen Straßenverkehr.

 

Für diese Tätigkeit sind drei Polizeibeamtinnen des Polizeipräsidium Südhessen ausschließlich für diese Tätigkeit abgestellt.

 

Um Kindern eine Lobby in Mobilitätsfragen auf kommunaler Ebene zu geben, hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt in 2014 eine sog. Kinderunfallkommission eingerichtet. Diese setzt sich für die Belange von Kindern und Jugendlichen in allen Fragen rund um die Mobilität und Verkehrssicherheit ein und erarbeitet Maßnahmen zur Unfallvermeidung. Die Kinderunfallkommission untersucht Unfälle, an denen Kinder beteiligt waren und entwickelt Vorschläge, wie sie verhindert werden können. Diese Vorschläge können Veränderungen in der Verkehrsinfrastruktur, der Beschilderung oder der Verkehrsführung betreffen. Die Kinderunfallkommission wurde auf Verwaltungsebene eingerichtet und ist mit dem Ombudsmann für Kinderverkehrssicherheit, der Polizei und Expertinnen und Experten aus dem

Verkehrsmanagement, der Straßenverkehrstechnik und der Bau- und Planungsabteilung des Straßenverkehrs- und Tiefbauamtes besetzt. Bei Bedarf

werden auch externe Institutionen, wie bspw. der ADFC, der VCD, die

Verkehrswacht, der Kinderschutzbund oder der städtische Kinderbeauftragte, aber

auch Eltern und Schülerinnen und Schüler geladen.

 

Eine präventive Ahndung von Verkehrsverstößen ist hingegen nicht möglich, da Verkehrsverstöße erst nachdem sie begangen wurden repressiv geahndet werden können.

 

 

Frage 5:

Wie viele der statistisch erfassten Unfälle mit Radfahrerbeteiligung fanden auf gekennzeichneten Radwegen mit Benutzungspflicht statt und wie viele außerhalb solcher Radwege?

 

Antwort:

Es fanden 6 Unfälle auf gekennzeichneten Radwegen mit Benutzungspflicht und 279 Unfälle außerhalb solcher Radwege statt. Die Unfälle außerhalb von Radwegen mit Benutzungspflicht können jedoch nicht in direktem Zusammenhang mit der Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht gesehen werden, da hierzu verschiedenste Bereiche wie bspw. Gehweg, Fußgängerzone, Parkanlage, verkehrsberuhigter Bereich, Tempo-30-Zonen zählen.

 

Frage 6:

Welche Rückschlüsse aus der Antwort zu Frage 5 zieht der Magistrat in Bezug auf die

Sinnhaftigkeit einer Aufhebung der Benutzungspflicht von Radwegen durch Entfernung der entsprechenden Radwegebeschilderung?

 

Antwort:

1. Zur Frage der Sinnhaftigkeit einer Aufhebung der Benutzungspflicht von Radwegen:

 

Wie bereits im Zuge der Beantwortung Ihrer Kleinen Anfrage vom 09. Mai 2017 bei der Antwort 3 beschrieben, sind Kommunen aufgrund von Gerichtsurteilen verpflichtet bei Radwegen zu prüfen, ob die Anforderungen zur Anordnung der Benutzungspflicht („Blaues Schild") nach StVO und Verwaltungsvorschrift zur StVO gegeben sind oder nicht. Wenn diese nicht erfüllt sind, muss im Rahmen der Überprüfung die Benutzungspflicht der Radwege aufgehoben werden, d. h. die blauen Schilder müssen entfernt werden.

 

Gemäß den Grundlagen (StVO, Verwaltungsvorschrift zur StVO) existieren drei

Hauptanforderungen, die eine Anordnung bzw. eine Beibehaltung der Benutzungspflicht für Radwege rechtfertigen:

 

(Bedingung 1: 451 Abs. 9i Satz 2StVO)

Anordnung von benutzungspflichtigen Radwegen nur dann, wenn auch ein Gefährdungspotenzial auf der Fahrbahn gegeben ist. Eine Benutzungspflicht ist somit nur zur Wahrung und Erhöhung der Sicherheit anzuordnen. Dazu aus der Pressemitteilung des BVerwG vom 18.10.2010: „Benutzungspflichtige Radwege, die allein aus Gründen des besseren Verkehrsablaufes zur Trennung des langsamen Radverkehrs vom schnellen Kfz-Verkehrs angelegt wurden, sind auf Ihre tatsächliche Gefahrenlage des Straßenraumes zu überprüfen".

 

Bedingung 2:

Voraussetzung für die Kennzeichnung ist, dass die Mindestanforderungen der VwV-StVo eingehalten sind dass die Benutzung des Radweges nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar sowie die Linienführung eindeutig, stetig und sicher ist.

 

Dies ist der Fall, wenn er unter Berücksichtigung der gewünschten Verkehrsbedürfnisse Ausreichend breit, befestigt und einschließlich eines Sicherheitsraums frei von Hindernissen beschaffen ist.

 

Bedingung 3:

Benutzungspflichtige Radwege dürfen nur dann angelegt werden, wenn ausreichende Flächen für den Fußverkehr zur Verfügung stehen.

 

In der Praxis sind diese drei rechtlichen Bedingungen häufig nicht erfüllt. Eine Benutzungspflicht darf dann nicht neu angeordnet werden. Dort, wo sie bislang angeordnet ist, soll bzw. muss die Benutzungspflicht aufgehoben werden und dem Radverkehr die Mitbenutzung der Fahrbahn erlaubt.

 

 

2. Zur Frage hinsichtlich Rückschlüsse aus der Antwort zu Frage 5:

In Darmstadt ist die örtliche Unfalluntersuchung bereits seit über 20 Jahren ein fester Bestandteil der Verkehrssicherheitsarbeit der Unfallkommission. Hierzu kommen in regelmäßigen Abständen die Fachleute der Polizei mit den städtischen Fachleuten der Straßenverkehrsbehörde und des Straßenverkehrs- und Tiefbauamtes in der Unfallkommission der Stadt Darmstadt zusammen. Bei diesen Treffen werden die polizeilich aufgenommenen Straßenverkehrsunfälle analysiert und auf Auffälligkeiten und Häufungen untersucht.

 

Jedes Jahr werden die von der Polizei in Darmstadt erfassten Verkehrsunfälle —

selbstverständlich auch die mit Beteiligung von Radverkehr— und deren Protokolle der örtlichen Unfallaufnahme für diese Arbeit analysiert. Aus den Unfallanzeigen werden Stellen mit auffälligen Häufungen herausgefiltert, die dann als Unfallhäufungsstellen einer vertiefenden Untersuchung unterzogen werden. Bei dieser vertiefenden Untersuchung wird nach den Ursachen geforscht die zu diesen Unfällen geführt haben.

 

Ziel dieser Verkehrssicherheitsarbeit der

Unfallkommission ist es, geeignete Gegenmaßnahmen zu finden und umzusetzen, die

dazu führen, diese Unfälle in Zukunft zu vermeiden und zu verhindern. Das kann

beispielsweise durch bauliche Änderungen, das Anpassen oder Optimieren von Beschilderung oder Markierung erfolgen, aber auch durch Aufklärungsarbeit der

Verkehrsteilnehmer oder die Durchführung von Verkehrssicherheitsprogrammen und -Aktionen.

 

Durch diese kontinuierliche und erfolgreiche Arbeit konnte die städtische Unfallkommission erreichen, dass die Anzahl der Unfallhäufungsstellen innerhalb der Stadtgrenzen in den letzten 10 Jahren von über 40 auf lediglich 27 nahezu halbiert werden konnte.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Barbara Boczek

Stadträtin

 

(SB)