FDP-Fraktion stellt Große Anfrage zum Masterplan 2030

Der in der Stavo-Sitzung vom 25.06. behandelte "Masterplan DA 2030+" wird von der FDP-Fraktion stark kritisiert (siehe jüngste Pressemitteilung). Ein Hauptgrund sind die zahlreichen Unklarheiten, die in einer Große Anfrage aufgeführt sind, welche an den Magistrat gestellt wurde und hier folgt.

 

 

 

Große Anfrage zum „Masterplan 2030“

 

Der mit der Magistratsvorlage 2020/0141 zu beschließende Masterplan DA 2030+ bleibt überwiegend vage. Wo er konkret erscheint, bleiben viele Fragen offen. Insbesondere ist die gewählte Begrifflichkeit undefiniert und unüblich, es bleibt daher ungeklärt, welche politischen Entscheidungen mit dem Entwurf überhaupt ausgesagt werden sollen.


Daher fragen wir den Magistrat:

 

1. Nutzungen mischen
Auf u. a. S. 44 wird als Ziel formuliert, die städtebauliche Trennung zwischen Wohn- und Gewerbegebieten aufzuheben. Diese Entscheidung ist eine fundamentale Änderung der in Darmstadt und Deutschland bisher üblichen Grundsätze.

 

a) Welche Untersuchungen oder Forschungsergebnisse haben im Masterplan zu dieser Entscheidung geführt?

b) Welche Vor- und Nachteile würde eine solche Mischung von Wohnungen und Gewerbe für die Betroffenen haben?

c) Welche Konsequenzen hätte es für Betriebe mit Emissionen, wenn im bisherigen Gewerbegebiet nun Wohnungen entstehen?

d) Wie soll die für Bewohner nötige Infrastruktur (z. B. Kindergärten oder Nah-versorgung) organisiert werden, wenn ihre Wohnungen zwischen Gewerbe-betrieben verstreut liegen?

 

 

2. Potential für Verdichtung

Auf S. 45 des Plans sind sieben Bereiche der Stadt als Flächen mit „Potenzial für Verdichtung“ gekennzeichnet.

 

a) Nach welchen Kriterien sind diese sieben Bereiche ausgewählt und abgegrenzt worden?
b) Welchen Verdichtungsgrad haben diese sieben Bereiche heute?
c) Welchen Grad an Verdichtung strebt die Planung an?
d) Was unterscheidet das Vorgehen in diesen Verdichtungszonen von möglicher Verdichtung im übrigen Stadtgebiet?
e) Ist die angestrebte Verdichtung mit den derzeit in diesen Gebieten gültigen Bebauungsplänen vereinbar?

 


3. Familienhäuser

Auf S. 46 wird festgestellt: „Der Neubau von Einfamilienhäusern bleibt zukünftig die absolute Ausnahme.“ Dabei können auch Einfamilienhäuser problemlos mit der geforderten Dichte von 60 Einheiten pro Hektar realisiert werden und sie haben keinerlei ökologische oder städteplanerische Nachteile gegenüber Geschosswohnungsbau. Umgekehrt gehören Eigenheime zur gefragtesten Wohnkategorie vor allem für Familien.

 

a) Welche Gründe führten im Masterplan dazu, dass Einfamilienhäuser nicht mehr gebaut werden sollen?
b) Gibt es eine Untersuchung über die Wohnformen, die von den Darmstädtern besonders nachgefragt werden?
c) Ist den Masterplanern bewusst gewesen, dass diese Vorschrift insbesondere große Vermieter begünstigt, mit denen viele Darmstädter keine guten Erfahrungen gemacht haben?
d) Ist den Masterplanern bewusst, dass Eigenheimgärten im Schnitt deutlich mehr für Biodiversität und Artenreichtum beitragen als die Grünflächen um Geschoßwohnungsanlagen?

 


4. Verkehrsentwicklung

Der als Bestandteil des Masterplans angekündigte Verkehrsentwicklungsplan (Mobilitäts-konzept) fehlt bisher. Es ist daher nicht klar, ob die geplante Verkehrsinfrastruktur geeignet und ausreichend ist, um die im Masterplan enthaltenen massiven Nutzungsausweitungen zu versorgen. Eine Beschlussfassung über den Masterplan ohne Kenntnis des Verkehrs-entwicklungsplans ist daher sinnlos.


a) Wann wird der schon mehrfach angekündigte Verkehrsentwicklungsplan fertiggestellt?
b) Wieso ist im Masterplan vom Ausbau des ÖV-Netzes (insbesondere Schiene) die Rede, wenn in den Plänen (außer einem kurzen Lückenschluss) überhaupt keine neuen Schienenverbindungen enthalten sind?
c) Ist die vorgesehene neue S-Bahn-Station an der Pallaswiesenstraße mit dem RMV abgestimmt?
d) Ist die vorgesehene Schaffung von neuen Tickets mit Integration aller Verkehrsträger (S. 60) mit dem RMV abgestimmt?
e) Was ist unter der angestrebten „Flächengerechtigkeit“ (S. 61) zu verstehen, was ist derzeit bei den Flächen „ungerecht“ und was ist der Maßstab für die angestrebte „Gerechtigkeit“?
f) Auf S. 61 wird behauptet, das Mobilitätskonzept der Lincoln-Siedlung würde belegen, dass die Streichung von Parkplätzen keinen Einschnitt in die individuelle Mobilität bedeuten würde. Wie können die Masterplaner das beurteilen, obwohl die Lincoln-Siedlung erst in Bau ist und noch keine Praxiserfahrungen mit der Abdeckung von Mobilitätsanforderungen bestehen?
g) Bei der geplanten Streichung von Parkplätzen wird vorgeschlagen, den betroffenen Bewohnern „die Mehrwerte der geplanten Umverteilung“ zu vermitteln (S. 62). Ist dabei auch geplant, die Wünsche der Bewohner abzufragen und zu berücksichtigen oder ist nur die Propagierung der Masterplan-Vorgaben gedacht?

 

 

5. Waldflächen

Der Masterplan sieht prioritär aber auch perspektivisch etwa 100 Hektar Waldrodungen z.B. in Eberstadt Süd, südlich des Friedhofes, aber auch im Bereich östlich der Heinrich-Delp-Str. vor.

 

a) Wo sind die Flächen für die Ersatzaufforstung?
b) Einige dieser Flächen greifen in die Landschaft der eiszeitlichen Dünen ein. Wie passt das zum Naturschutzgedanken und dazu, dass für dieses Gebiet die Aufnahme in den Geo-Park Bergstraße geplant ist?
c) Stimmt es, dass der Naturschutzbeirat den Masterplan 2030+ für überarbeitungswürdig empfindet ?

 


6. „Schlüsselräume“

Auf S. 105 ff. sind drei „Schlüsselräume“ beschrieben, in denen vorrangig Veränderungen stattfinden sollen. Die genaue Art der Änderungen bleibt unklar, die beschreibenden Graphiken sind Symbolzeichnungen ohne konkrete Darstellung der bestehenden Bebauung oder der Neuprojekte.

 

a) Welche der Flächen im für die Neuplanung vorgesehenen Abschnitt der Rheinstraße sind im städtischen Besitz?
b) Welche Flächen in diesem Abschnitt der Rheinstraße (außer dem Grundstück Rheinstraße 99) bieten nach Einschätzung der Masterplaner die Möglichkeit für eine Neuplanung?
c) Wieso sind die bereits möglichen Ausbaumöglichkeiten für das Grundstück Rheinstraße 99 in den letzten Jahrzehnten vom Besitzer nicht genutzt worden? Wird sich das durch den Masterplan ändern?
d) Mit welchen der privaten Grundstücksbesitzer in diesem Abschnitt der Rheinstraße wurden bereits Gespräche geführt, ob diese bereit sind ihren aktuellen Gebäudebestand zu ersetzen oder zu ergänzen?
e) Welche der Flächen im für die Neuplanung vorgesehenen Abschnitt der Pallaswiesenstraße sind im städtischen Besitz?
f) Welche dieser Flächen sind für die vorgesehenen Parks und Wasserflächen geeignet?
g) Auf S. 109 wird von „drei neuen Ankernutzungen“ im Bereich Mainzer Straße gesprochen. Welche drei Nutzungen sind hier geplant?
h) Welche Wald- und Kleingartenflächen sind für die Bebauung mit „neuen Hubs“ und „bezahlbarem Wohnen“ im Bereich des „Südbands“ vorgesehen?
i) Sollen die neuen Wohngebäude im „Südband“ ausschließlich durch den dargestellten Fahrradweg erschlossen werden? Falls nicht, welche weitere Verkehrserschließung ist hier geplant?
j) Nach Graphik auf S. 110 sollen vermutlich im Bereich Felsingstraße „gemischte Quartiere“ geschaffen werden. Wieso soll gerade dieser Bereich dafür geeignet sein?

 


7. Impulszentren

Auf dem Plan S. 71 sind neun „Neue Impulszentren (funktionale Profilierung)“ gekennzeichnet.

 

a) Was ist die Definition eines solchen „Impulszentrums“?
b) Welches sind im Gegensatz zu diesen neuen die alten „Impulszentren“ in Darmstadt?
c) Welche Eigenschaften muss ein „Impulszentrum“ haben?
d) Wie wird ein „Impulszentrum“ städteplanerisch umgesetzt?
e) Was ist konkret mit „funktionaler Profilierung“ gemeint?
f) Was bedeutet es für Stadtbereiche (wie Kranichstein und Eberstadt), wenn sie kein solches „Impulszentrum“ bekommen?

 

 

8. „Stadt- und freiräumliche Qualitäten“

Auf dem Plan S. 71 sind 8 Bereiche der Stadt als „Stadt- und freiräumliche Qualitäten“ gekennzeichnet.

 

a) Welche Stadtqualitäten sind hier gemeint?
b) Was sollen „freiräumliche Qualitäten“ sein?
c) Nach welchen Kriterien sind diese 8 Bereiche ausgewählt und abgegrenzt worden?
d) Was bedeutet es für einen Stadtbereich, wenn er in diese Kategorie fällt?
e) Was bedeutet es umgekehrt für die restliche Stadt, die diese Qualitäten offenbar nicht hat?

 


9. „Siedlungskanten“

Auf S. 44 wird die Schaffung von klaren „Siedlungskanten“ als Ziel formuliert.

 

a) Wie ist „Siedlungskante“ im Sinne des Masterplans definiert?
b) Wo in Darmstadt finden sich derzeit schon Beispiele für solche „Siedlungskanten“?
c) Was sind die Vor- und Nachteile einer solchen „Siedlungskante“ im Vergleich zur üblichen Stadtrandgestaltung?
d) Mit welchen baurechtlichen Maßnahmen sollen solche „Siedlungskanten“ hergestellt werden?
e) Wieso sollen (laut Plan S. 45) „Siedlungskanten“ zwischen Grünflächen innerhalb und außerhalb der Kanten-Grenzziehung etabliert werden (z. B. am Jagdschloss Kranichstein oder nördlich des Seiterswiesenwegs)?

 


10. „Produktive“ Straßenräume

Auf dem Plan S. 71 werden verschiedene Straßenabschnitte in Darmstadt als „produktive Straßenräume“ gekennzeichnet.

 

a) Wie ist ein „produktiver Straßenraum“ definiert?
b) Worin besteht die spezielle Produktivität eines solchen Straßenraums?
c) Nach welchen Kriterien wurden die Straßenräume ausgewählt, die künftig „produktiv“ sein sollen?
d) Was bedeutet es für einen Straßenraum, wenn er nicht als „produktiv“ im Sinne des Masterplans eingestuft wird?
e) Was bedeutet es für einen Stadtteil (z. B. Arheilgen oder Kranichstein), wenn für ihn kein „produktiver“ Straßenraum vorgesehen ist?

 

 

11. „Quartiere“

Auf S. 87 ff. wird das „Quartier“ als zentrale Planungseinheit eingeführt.

 

a) Wie ist „Quartier“ definiert?
b) Wie viele Einwohner soll ein „Quartier“ typischerweise haben?
c) Wie viele Quartiere sind insgesamt für das Stadtgebiet geplant?
d) Wie ist das Verhältnis der „Quartiere“ zu den bisherigen Planungseinheiten, insbesondere den Stadtteilen?
e) Nach welchen Kriterien sollen die verschiedenen „Quartiere“ gebildet und gegeneinander abgegrenzt werden?
f) Welche Infrastruktur muss ein „Quartier“ mindestens aufweisen, um als solches funktionsfähig zu sein?

 


12. „Quartiersinfrastrukturen“
Auf dem Plan S. 91 sind 16 „Quartiersinfrastrukturen“ gekennzeichnet.

 

a) Was ist eine „Quartiersinfrastruktur“?
b) Welche Infrastrukturangebote muss eine „Quartiersinfrastruktur“ umfassen?
c) Wie wird eine „Quartiersinfrastruktur“ baulich realisiert?
d) Wird jedes „Quartier“ eine „Quartierinfrastruktur“ bekommen?
e) Wieso ist für einen großen Teil des Stadtgebiets keine „Quartiersinfrastruktur“ vorgesehen?
f) Nach welchen Kriterien erfolgte die Platzierung dieser „Quartiersinfrastrukturen“?

 

 

13. „Quartiersbezogene Freiräume“

Auf dem Plan S. 91 sind diverse „quartierbezogene Freiräume“ gekennzeichnet. Es handelt sich vermutlich um Grünflächen/gestaltete Plätze innerhalb der geschlossenen Bebauung.


a) Was genau macht die „Quartiersbezogenheit“ einer solchen Freifläche aus?
b) Was ist der Unterschied zu den bestehenden nicht „quartiersbezogenen“ Parks und Freiflächen?
c) Wieso und auf welcher Fläche soll in der Ortsmitte Arheilgens ein solcher neuer Freiraum geschaffen werden?
d) Wieso soll im Wald im südöstlichen Eberstadt ein solcher neuer Freiraum geschaffen werden?
e) Wieso soll im Gewerbegebiet Nord-West/Riedbahnstraße am Waldrand ein solcher neuer Freiraum geschaffen werden?

 

 

Mit freundlichen Grüße,
Für die FDP-Fraktion


Sven Beißwenger              Ralf Arnemann         Dr. Ursula Blaum
Fraktionsvorsitzender      Stadtverordneter      Stadtverordnete